Lebenslauf

Thomas Zindel
Salisstrasse 12
7000 Chur +41 79 310 40 31 / thomaszindel@gmx.ch

Thomas Zindel wächst in Chur auf und besucht 1978 die Kunstgewerbeschule Zürich. 1980 Aufenthalt in Berlin. Bis 1987 lebt Zindel an der Aquasanastrasse in Chur, wo er von 1982 bis 1984 zahlreiche Ausstellungen (Aqua sana zeigt) veranstaltet und eine Lithografie- und Radierwerkstatt betreibt. 1987 übersiedelt Zindel nach Basel. 1991 Preis der Stiftung für graphische Kunst in der Schweiz. 1994 erhält er von der der Schweizerischen Bankgesellschaft ein Werkjahr und wird mit dem Manor-Kunstpreis Graubünden ausgezeichnet. Für die Bündner Kulturwerkstatt In Situ realisiert Zindel ab 1986 während rund zwölf Jahren szenische Projekte und schafft Bühnenbilder. 1995 hält sich Zindel für einen Arbeitsaufenthalt in Peyriac-de-Mer auf und arbeitet 1996/1997 in der Cité internationale des arts in Paris. Ab 1998 lebt und arbeitet er wieder in Chur. 2002 Anerkennungspreis der Stadt Chur. 2011 Anerkennungspreis des Kantons Graubünden. Zindel betreibt von 2015 bis Ende 2023 in Chur die Galerie/Edition Z.

Zindels Werk ist durch klar zu definierende Werkgruppen geprägt. Diese tragen bedeutungsschwere Titel wie Scotts Reise zum Südpol (1983)Marias Nachmittage (1985) oder R.E.M. (Rapid Eye Movement) (1989). Es geht in diesen Arbeiten um das Freilegen von Realitäten hinter der Oberflächlichkeit der Dinge und um die Visualisierung psychischer Befindlichkeiten, um prekäre Situationen und Scheitern. Bei den mit heftigem Duktus geschaffenen Werken stehen existenzielle Grunderfahrungen wie Angst und Gefährdung, Einsamkeit und Suche, Gewalt und Verletzung, Eros und Tod im Zentrum. Nicht selten lässt sich Zindel von Philosophen und Literaten anregen, etwa von Georges Bataille und dessen Theorie der Transgression, nach der nur das Spiel mit dem Widersprüchlichen das Aufspüren der Wahrheit erlaube.

Gegen Ende der 1980er Jahre wandelt sich die bildkünstlerische Strategie. Die Beschäftigung mit Jakob Michael Reinhold Lenz in Georg Büchners Lenz (1836) führt zur Auseinandersetzung mit dem «Gebirg» und mit dem Menschen in seiner Beziehung zur zeitenthobenen Bergwelt. Die Werkgruppe Peyriac de mer (1995) weist mit den Motiven Krug und Amphore, Brot und Fisch einen sakralen Charakter auf. Mit der Bildreihe der Filets (1996/1997) und ihren gewebe- und geflechtartigen Strukturen lässt Zindel die Figuration hinter sich und findet zu einer selbstreferenziellen Malerei, bei der die Farbe und die vage Andeutung zunehmend bedeutender werden.

In den 1990er Jahren werden Giottos Fresken in der Scrovegni-Kapelle in Padua zu einem wichtigen Bezugspunkt. Zindel treibt dabei die fundamentale Frage nach dem Wesen der Malerei um. Mit dem Verzicht auf jede Gegenständlichkeit geht eine rigide Bildordnung einher: In die Linien und Kreisraster sind symbolträchtige Farben wie Rot, Blau oder Gold eingeschrieben. Die meditative Ruhe und die numinose Räumlichkeit verleihen den Gemälden eine Entrücktheit (Noli me tangere, 2005). Bei den rasch aufeinander folgenden Werkgruppen wie Stations of the Cross (2007/2008)Adagio con anima (2010)Adagio ritenuto (2011)adagio sostenuto (2012/2013) oder Tina (2014) lotet Zindel die elementaren Eigenschaften der Malerei aus: Form und Farbe, Rhythmus und Ruhe, Fläche und Raum, Einheit und Fragment, Fülle und Leere. Hinter der geometrischen Stringenz geht es ikonologisch um Fragilität und Grenzüberschreitung, um Emotion und Besänftigung, um Klang und Meditation.

Zindel wendet sich 2014 von der Malerei ab und schliesst diese im Frühjahr 2016 mit der interdisziplinären Klang-, Bild- und Raumarbeit Tec Nev, einer Art Gesamtkunstwerk, im Theater Chur ab. Fortan widmet er sich seiner Galerietätigkeit. 2019 nimmt er die Malerei jedoch wieder auf, um seine Erfahrung von Welt weiter zu verarbeiten. Es entstehen die Werkgruppen Territorien II (2018), Das Kleid für Tina (2019) und «Architektur spielen» (2018/2020). Das scheinbar arglose Spiel von Linien und Kreisen setzt sich wieder mit fundamentalen philosophischen, literarischen und wissenschaftlichen Phänomenen auseinander. Mit der 2022 begonnenen Werkgruppe sogar… bezieht sich Zindel auf Marcel Duchamps Die Neuvermählte/Braut wird von ihren Junggesellen entkleidet, sogar (auch bekannt unter dem Titel Das Grosse Glas, 1915–1923).

Werke in institutionellen Sammlungen (Auswahl): Chur, Bündner Kunstmuseum; Chur, Graubündner Kantonalbank; Chur, Fundaziun Capauliana; Zürich, Graphische Sammlung ETH.

Beat Stutzer: «Thomas Zindel». In: SIKART 
Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2024 (erstmals publiziert 1998).